Gastwissenschaftlerin forscht an HSBI
© HSBI | P. Pollmeier
Bielefeld, 26. Juli 2024. Antibakteriell, leitfähig und reißfest: Im Textiltechnologie-Labor der Hochschule Bielefeld untersucht Nonsikelelo Sheron Mpofu, wie sich mittels 3D-Druck die Eigenschaften von Stoffen modifizieren lassen. Gleichzeitig will sie erfahren, wie mehr Frauen in ihrer afrikanischen Heimat den Weg in MINT-Studiengänge finden können und schaut sich entsprechende Förderinstrumente hierzulande an. Ermöglicht wird ihr Forschungsaufenthalt durch ein Gleichstellungsstipendium der HSBI für Forschende aus dem Globalen Süden.
Konzentriert spannt Nonsikelelo Sheron Mpofu das helle Stück Stoff in den Metallträger ein. Mit routinierten Bewegungen streicht sie die Falten glatt und begutachtet das Stück ein letztes Mal von allen Seiten, bevor sie den Träger in den 3D-Drucker setzt. Sie schließt die Glasabdeckung, wählt auf dem kleinen Touchscreen die passende Voreinstellung und das Gerät beginnt leise zu surren. Der Blick in den Glaskasten verrät: Schicht für Schicht formt sich ein Rechteck aus Resin (Harz) auf dem Stoff.
Der 3D-Drucker steht im Labor für Textiltechnologie der Hochschule Bielefeld (HSBI). Dort forscht die aus Simbabwe stammende Nonsikelelo Sheron Mpofu aktuell zur Modifikation von Textiloberflächen mittels 3D-Druck. Gefördert wird ihr Forschungsaufenthalt an der Hochschule durch ein Gleichstellungsstipendium: Neben der Arbeit im Labor will Mpofu daran forschen, wie sich der Anteil von Frauen in naturwissenschaftlichen Studiengängen steigern lässt.
Kartoffelschalenextrakte treffen auf Baumwollstoffe
Nonsikelelo Sheron Mpofu hat vor kurzem ihre Promotion in Material- und Textiltechnik an der Moi University in Kenia abgeschlossen. Ihr Schwerpunkt lag auf multifunktionalen Baumwollstoffen: Sie forschte unter anderem an der Verbesserung der antibakteriellen Eigenschaften von Baumwollstoffen durch Zugabe von Kartoffelschalenextrakten. Ihr Hauptforschungsthema war die Haftung von 3D-gedruckten Elementen auf textilen Trägermaterialien.
Der Großteil ihrer Arbeit war jedoch aufgrund des fehlenden Zugangs zu geeigneten 3D-Druckgeräten sowie Geräten zur Bestimmung der Proben eingeschränkt. Durch die Ausrüstung im Textiltechnologie-Labor und den Austausch mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „MTex³“ an der HSBI will Mpofu ihre Forschung jetzt ausbauen. Noch bis zum September arbeitet sie im Labor von Textilwissenschaftlerin Prof. Dr. Dr. Andrea Ehrmann am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der HSBI.
Arbeit an der HSBI – „a dream come true“
Auf das Stipendium der HSBI für den Forschungsaufenthalt ist sie über die „Organisation of Women in Science for the Developing World“ aufmerksam geworden. Die Forschungsarbeiten der Arbeitsgruppe kannte sie allerdings schon gut. „Andrea Ehrmann hatte ich bereits vor ein paar Jahren angeschrieben, weil ich Interesse an einem ihrer wissenschaftlichen Artikel hatte. Prof. Ehrmann und die Arbeitsgruppe sind so etwas wie meine Superhelden, weil mich ihre Forschung so beeindruckt“, sagt Nonsikelelo Sheron Mpofu lachend. Die Möglichkeit für die Forschung an der HSBI sei daher „a dream come true“ für sie.
Stoff durch 3D-Bedruckung „modifizieren“
Die Wissenschaftler:innen der Arbeitsgruppe MTex³ forschen unter anderem an der Integration von elektronischen Komponenten in Textilien, leitfähigen Beschichtungen oder Solarzellen aus Stoff – Mpofu’s Forschungsergebnisse tragen jetzt einen wichtigen Teil dazu bei. „Vereinfacht gesagt, geht es bei meiner Forschung um die Verbesserung der Eigenschaften von Textilgeweben durch spezielle Beschichtungen“, erklärt sie. „Dadurch kann das Gewebe für andere Verwendungszwecke wie medizinische Textilien oder Outdoor-Kleidung angepasst werden.“
Eine Möglichkeit dazu ist der 3D-Druck von Polymeren auf Textilien, mit denen sich deren Eigenschaften wie Leitfähigkeit oder eine antibakterielle Wirkung quasi auf den Stoff „übertragen“ lassen. Die Herausforderung dabei ist die Haftung des Polymers auf dem Textiluntergrund. Um diese zu verbessern, führt Mpofu aktuell Versuchsreihen durch und variiert verschiedene Stoffarten und Zusammensetzungen des Polymers. Danach misst ein Zugprüfgerät, wieviel Kraft erforderlich ist, um Textil und Polymer voneinander zu trennen. Je mehr Druck die Verbindung aushält, desto besser.
Welcome Center der HSBI unterstützt Gastwissenschaftler:innen
Bei der Organisation ihres Forschungsaufenthalts in Bielefeld stand und steht Nonsikelelo Sheron Mpofu das Welcome Center der HSBI mit Rat und Tat zur Seite. Das Center unterstützt Gastwissenschaftler:innen bei allen bürokratischen Fragen rund um Visum, Krankenversicherung oder Wohnungssuche. Mpofu nimmt die Hilfe dankbar an, sie ist zum ersten Mal in Deutschland und musste einige bürokratische Hürden überwinden.
Bei ihrer Zugfahrt vom Flughafen zum Bielefelder Hauptbahnhof ist sie überrascht, als ihr fremde Menschen mit ihren Koffern helfen. „Mein ganzes Leben lang hatte man mir erzählt, wie unfreundlich und unnahbar die Deutschen sind. Die meisten Menschen sind aber extrem herzlich und hilfsbereit“, erzählt sie. „Diese Erfahrung habe ich auch an der HSBI gemacht: Vom ersten Tag an fühlte ich mich hier wie zu Hause. Meine Kolleginnen und Kollegen machten es mir so leicht, mich einzufügen, und an meinem zweiten Tag war ich bereits im Labor und arbeitete mit, als wäre ich schon seit vielen Jahren an der HSBI.“ Was sie noch überrascht hat? „Das Deutschland-Ticket, damit möchte ich gerne noch mehr Städte besuchen, wenn ich Zeit finde. Und die Mülltrennung und das Recycling, das ist wirklich cool“, sagt sie.
Mehr Frauen in MINT-Studiengängen
Nonsikelelo Sheron Mpofus Forschungsaufenthalt wird mit einem New-Horizons-Stipendium der Zentralen Gleichstellungsbeauftragten der HSBI gefördert. Das Stipendium wird einmal jährlich an Wissenschaftler:innen aus dem globalen Süden vergeben, die zu Gleichstellungsthemen forschen. Für Mpofu ist das die Frage, wie mehr Frauen den Zugang zu MINT-Studiengängen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) finden können.
Denn wie schwierig die Karriere als Frau in den Naturwissenschaften ist, weiß sie: „Studentinnen fühlen sich oft gezwungen, sich besonders anzustrengen, um sich als gleichwertig mit ihren männlichen Kommilitonen zu beweisen“, so Mpofu. Auch die Sorge vor möglicher Diskriminierung am Arbeitsplatz hielten Frauen davon ab, sich in diesen Bereichen zu engagieren.
Das zu ändern ist ihr aus mehreren Gründen wichtig. Mpofu: „Unterschiedliche Perspektiven bereichern die wissenschaftliche Forschung und Innovation, sind aber auch für einen gesamtgesellschaftlichen Fortschritt wichtig. Durch die Steigerung der Zahl der Frauen in MINT-Fächern können wir Vorurteile und Schubladendenken abbauen und künftige Generationen von Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen inspirieren.“ Mpofu selbst war die erste weibliche Vorsitzende der Vereinigung internationaler Studierender und die erste weibliche Vertreterin für Promotionsstudierende an der Moi Universität in Kenia.
Stipendien, Förderprogramme und vor allem Sensibilisierung
Ideen, um mehr Frauen in die MINT-Studiengängen zu bringen, hat sie auch: In Mentoring-Programmen sollen Studentinnen mit erfolgreichen Frauen in MINT-Fächern zusammengebracht werden, um ihnen Orientierung, Unterstützung und Vorbilder zu bieten. Damit einher gehen auch Aufklärungskampagnen in Schulen. Mpofu: „Ich habe beobachtet, dass in Deutschland bereits Programme an Schulen angeboten werden, um alle, sowohl Schülerinnen als auch Schüler, zu ermutigen, MINT-Kurse zu belegen. Diese Idee ist gut, und ich möchte während meines Aufenthalts mehr darüber erfahren, damit wir so etwas auch in unseren Schulen umsetzen können.“
Weiter befürwortet sie neben finanziellen Stipendien für Frauen spezielle und kultursensible Förderprogramme und Sensibilisierungskampagnen, die sowohl Frauen auf die von Männern dominierten Arbeitsplätze als auch männliche Kollegen auf die Zusammenarbeit mit Frauen am Arbeitsplatz vorbereitet. Denn: „In einigen Kulturen hält sich die Vorstellung hartnäckig, dass bestimmte Berufe, vor allem aus dem MINT-Bereich, für Frauen ungeeignet sind“, so Mpofu. Dass dem natürlich nicht so ist, dafür ist die Wissenschaftlerin selbst das beste Beispiel.
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