Visuelle und fotografische Strategien zu Verschwörungstheorien
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Dortmund, 19. Juni 2024. Nach zwei Stunden braucht Anne Braune-Vásquez erst mal eine Pause. Die Welt, in die die Doktorandin für ihre Forschung abtaucht, hat es in sich. Die studierte Fotografin promoviert über visuelle und fotografische Strategien zu Verschwörungstheorien. Was sie dabei auf dem Messenger-Dienst Telegram zu sehen bekommt, kann die Stimmung schon mal drücken.
„Fotos dienen als Augenzeugen. Sie genießen nach wie vor ein hohes Vertrauen, obwohl sie leicht zu manipulieren sind“, sagt Anne Braune-Vásquez. Bereits während ihres Studiums an der FH Dortmund hat sie sich mit dem Realitätsbezug und der Glaubwürdigkeit von Bildern befasst. Zwei Arbeiten im Masterstudiengang „Photographic Studies“ waren eine künstlerische Auseinandersetzung zu Ufos und sogenannten Chemtrails. Für ihre Promotion an der FH und der Universität Tübingen geht sie das Thema auf empirisch-analytische Weise an.
Dazu ist sie im Messaging-Dienst „Telegram“ tief in Gruppen zu drei Verschwörungstheorien eingestiegen. Erstens: Die Mondlandung gab es nicht. Zweitens: Die Anschläge von 9/11 wurden von den USA selbst oder einer Welt-Elite inszeniert. Und drittens: Die Kondensstreifen von Flugzeugen sind sogenannte Chemtrails, mit denen die Menschheit wahlweise vergiftet oder gefügig gemacht werden soll. „Was diese drei Verschwörungstheorien eint, ist die Beweisführung ihrer Anhänger*innen mittels Fotos“, sagt Anne Braune-Vásquez. Hunderte Beiträge aus einem ganzen Jahr hat die Doktorandin gesammelt, kategorisiert, ausgewertet. Derzeit untersucht sie, welche Strategien bei der Verbreitung der Verschwörungstheorien dem Einsatz der Bilder zugrunde liegen.
Fotos als Beweis und Gegenbeweis
Fotos würden in den Postings sowohl als Beweis wie auch als Gegenbeweis verwendet, bilanziert die Doktorandin in einem ersten Resümee. „Mal sollen Fotos eine Wahrheit abbilden, mal vermeintliche Bildfehler oder Unstimmigkeiten in den Fotos eine Lüge entlarven.“ Gleichzeitig würden Fotos oftmals in Kombination mit anderen Bildern oder Textelementen genutzt. „Daraus ergibt sich dann eine falsche Kontextualisierung“, so Anne Braune-Vásquez. Etwa, wenn Bilder des New Yorker World Trade Centers vom 9. September 2001 mit Fotos vom Brand eines Londoner Hochhauses 2017 kombiniert würden. Gleichzeitig würden auch Gewalt- oder Kriegsbilder in den „Telegram“-Gruppen gezeigt, um zu emotionalisieren. „Auch antisemitische Codes kommen dann immer wieder vor“, berichtet die Doktorandin. Den Absendern gehe es dabei in erster Linie um eine Bestätigung innerhalb der verschwörungstheoretischen Community. Die wenigsten Postings hätten konkret das Ziel, Menschen von außerhalb zu überzeugen.
Der FH-Absolventin ist dennoch wichtig, die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben. „Es gibt bislang kaum Untersuchungen zum Einsatz von Bildern in Verschwörungstheorien“, sagt sie. Das Verständnis der Strategien des Einsatzes von Bildern sei jedoch Voraussetzung, um kluge Gegenmaßnahmen entwickeln zu können, etwa im Bereich der Medienkompetenz-Bildung. Die alltäglichen Nutzer*innen von Sozialen Medien müssen über die Stärken und Schwächen von Fotos besser aufgeklärt werden, ohne dabei überfordert zu werden. „Einfach keinem Bild mehr zu vertrauen, kann schließlich auch keine Lösung sein“, so Anne Braune-Vásquez.
Originalmeldung:
https://www.fh-dortmund.de/news/das-bild-der-verschwoerung.php
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