Forschungsschwerpunkt fördert direkte digitale Fertigung für alle
Immer mehr Unternehmen nutzen die Digitalisierung, um effizienter zu arbeiten. In ihren Fertigungshallen führen Maschinen die Produktionsschritte aus. Intelligent vernetzt und vollautomatisch stellen sie Bauteile her, setzen sie zusammen und prüfen, ob alles funktioniert. Die Anleitung dafür bekommen sie von digitalen Produktions- und Prozessdaten. Diese enthalten Informationen über die Geometrie der Produkte, das Material, die Montage, die zu verwendenden Werkzeuge oder die Ausführzeit. Je besser diese Daten aufbereitet und miteinander verbunden sind, desto reibungsloser können die einzelnen Vorgänge ineinandergreifen. Das beschleunigt den Herstellungsprozess bei gleichbleibender Qualität und spart Kosten.
Aktuell haben vor allem große Firmen investiert, um sich die direkte digitale Fertigung zunutze zu machen. Doch auch kleine und mittelständische Unternehmen könnten mehr von der Digitalisierung ihrer Produktionskette profitieren, finden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Ihnen wollen sie flexible Lösungen anbieten, um individuelle Produkte vollautomatisiert und kostengünstig auf der Grundlage digitaler Daten zu entwickeln, zu produzieren und bestenfalls dem Kunden oder der Kundin direkt auszuliefern.
Ganzheitlicher Ansatz von Vorteil
Wichtig hierbei ist, dass die digitale Aufrüstung nicht zu teuer ist, die Datenmodelle der einzelnen Prozessvorgänge möglichst einheitlich aufbereitet sind und je nach Bedarf individuell produziert werden kann. Um diese Voraussetzung zu schaffen, haben sich neun Lehrstühle der Hochschule in einem neuen Forschungsschwerpunkt „DiMan – Direkte Digitale Fertigung im Kontext der Industrie 4.0“ zusammengetan. Seit Anfang 2016 arbeiten ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Konstruktion und Entwicklung, Simulation, Montage und Logistik, Lasergestützte Verfahren, Software, Subtraktive Fertigung und Additive Fertigung gemeinsam an neuen Strategien für die Einführung und Verbesserung direkter digitaler Fertigungstechnologien in der regionalen Industrie.
„Unser ganzheitlicher Ansatz ist ein großer Vorteil“, bewertet DiMan-Sprecherin Prof. Dr. Eva Scheideler, Professorin im Fachbereich Produktion und Wirtschaft am Campus Lemgo, den Mehrwert der neuen Struktur. Sie bündle das Know-how in einem sehr komplexen Feld und schaffe so wichtige Synergien. Gleichzeitig bleibe jeder Systembestandteil in Expertenhand, wodurch die Hochschule Technikstandards auf hohem Niveau entwickeln könne.
Individuelle und hochkomplexe Formen
Eine der bekanntesten Technologien der direkten digitalen Fertigung ist der 3D-Druck. Bei diesem Verfahren werden dreidimensionale Werkstücke schichtweise aus flüssigen oder festen Werkstoffen aufgebaut. Produkt-abmessung, Form und Durchführung erfolgen computergesteuert. Im Gegensatz zu abtragenden Fertigungstechnologien, zum Beispiel Fräsen, bei denen Materialabfall entsteht, oder bei Gießverfahren, bei denen das Produkt aufwendig nachbearbeitet werden muss, lassen sich mit additiver Fertigung hochkomplexe, individuelle Formen herstellen – vollautomatisch und quasi versandfertig.
Zurzeit findet das Verfahren vor allem in der Medizintechnik und in der Luft- und Raumfahrt Anwendung. Im Forschungsschwerpunkt DiMan wollen die Kolleginnen und Kollegen die Technologie nun so weiterentwickeln, dass sie auch in anderen Branchen problemlos eingesetzt werden kann. Voraussetzung dafür, dass der 3D-Druck als ein zentraler Baustein in der direkten digitalen Fertigung funktionieren kann, ist auch hier ein durchgängiges Datenmodell, durch das er sich reibungslos in die gesamte Prozesskette integrieren lässt.
Industrie 4.0: vom Menschen zur Maschine?
Doch die Herausforderungen, die die digitale Weiterentwicklung der industriellen Produktion hin zu vollständig automatisierten Fertigungsprozessen für Forschung und Industrie mit sich bringt, sind nicht nur technischer Art. Direkte digitale Fertigung schafft auch eine völlig neue Rolle für den Menschen. Es stellt sich beispielsweise die Frage, wie seine Arbeit in der smarten Fabrik von morgen ausgestaltet werden kann. Diesen Aspekt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei DiMan ebenfalls untersuchen, zusammen mit Partnerinnen und Partnern aus Industrie, Verbänden und anderen Hochschulen.
„Bei all diesen Aktivitäten ist uns die Einbeziehung unserer Studierenden sehr wichtig“, sagt Scheideler. Sie alle sollen in Zukunft in der Modellfabrik „SmartFactory-OWL“ forschen, die die Hochschule Ostwestfalen-Lippe gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft initiiert hat. Dort kann der wissenschaftliche Nachwuchs in der Praxis testen, wie digitale Fertigungstechnologien und durchgängige Datenmodelle mehr Variantenvielfalt ermöglichen, Produktionskosten senken und Unternehmen konkurrenzfähiger machen. Unterstützung gibt es dafür auch vom Land NRW, das DiMan im Rahmen seines Programms FH STRUKTUR fördert.
Kontakt
Hochschule Ostwestfalen-Lippe
DiMan
Prof. Dr. Eva Scheideler
+49 (0)5261 702 5267
eva.scheideler@hs-owl.de
Weitere Informationen
www.prosense.info
www.vitting.design.fh-aachen.de/forschung/
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Netzwerkbüro HN NRW | Eva Helm