TH Köln entwickelt Erntemaschine für höherwertige Nutzung
© Prof. Dr. Frank Rögener/TH Köln
Köln, 05. Februar 2024. Brasilien ist der weltweit bedeutendste Zuckerrohrproduzent – 715 Millionen Tonnen wurden 2021 geerntet. Dabei fallen auch große Mengen Biorestmasse an. Diese wird bislang zum größten Teil verbrannt. Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung der TH Köln hat neue Erntetechniken und Prozesse entwickelt, um aus dem bisherigen Abfallprodukt ein attraktives Geschäft zu machen.
„Pro verarbeiteter Tonne Zuckerrohr bleiben etwa 150 bis 300 Kilogramm an ausgepressten, zerfaserten Stängeln übrig, die sogenannte Bagasse. Bei keiner anderen Kulturpflanze fällt so viel Biomasse an. In der Mehrzahl der zuckerrohrverarbeitenden Betriebe wird diese ineffizient im Zucker- und Alkoholherstellungsprozess verbrannt. Um die Bagasse höherwertig weiterzuverwenden, muss der gesamte Prozess ab der Ernte neu gedacht werden. Das war unsere Aufgabe“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Schlüter vom Institute for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics (ITT) der TH Köln. Dabei arbeitete die Hochschule mit diversen brasilianischen und deutschen Partnern zusammen.
Erntemaschine als Grundlage für höherwertige Nutzung
In Vorgängerprojekten hatte die Hochschule bereits eine Erntemaschine entwickelt, die vor allem für bäuerliche Kleinbetriebe geeignet ist. Diese brennen bisher kontrolliert ihre Felder ab, um die scharfkantigen Blätter der Pflanze zu entfernen. Anschließend ernten sie das eigentliche Zuckerrohr mit der Machete. Alternativ zur manuellen Vorgehensweise werden auf großen Betrieben schwere Vollernter eingesetzt. Diese effizienten Maschinen zerstückeln die Zuckerrohrstangen, was die Logistik in der hochmechanisierten Ernte vereinfacht, aber auch Nachteile mit sich bringt. „Unsere Maschine geht anders vor: Die Zuckerrohrstange wird gegriffen und Bürsten entfernen die Blätter; die Stange wird an der Basis abgeschnitten und abgelegt. So benötigt man kein Feuer und die Stangen bleiben am Stück. Da kein Saft austritt, ist der Zuckerertrag hoch“, so Carl-Friedrich Gaese, Projektmitarbeiter des ITT.
Die bestehende Technologie entwickelten die Projektpartner weiter und reduzierten vor allem die Komplexität des Prototyps, so dass dieser einfacher zu bedienen ist. Zudem konzipierte der Projektpartner Schumacher Group ein neues Schnittsystem, das die Pflanze nicht so stark verletzt. Dadurch können weniger Krankheiten in die Schnittstellen eindringen und die Regeneration bis zur nächsten Ernte ist besser. Die Maschine ist als Anhänger für den Traktor aufgebaut, wiegt so nur etwa eine Tonne und verursacht deutlich weniger Bodenverdichtung als herkömmliche Erntemaschinen, die bis zu 16 Tonnen wiegen können.
Durch Pyrolyse entsteht Biokoks
Zudem sorgt die Neuentwicklung dafür, dass die Stängel deutlich weniger mit Erde verunreinigt sind, was die angestrebte Weiterverarbeitung der Bagasse mittels Pyrolyse erleichtert. „Bei der Pyrolyse werden organische Substanzen ohne Sauerstoffzufuhr stark erhitzt und dabei gespalten ohne zu verbrennen. Das Ergebnis ist unter anderem Biokoks. Unser Partner REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH hat eine Anlage errichtet, die diese Behandlung in einem vor Ort sinnvollen Maßstab erlaubt“, erläutert Prof. Dr. Frank Rögener vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik der TH Köln. Biokoks kann entweder deutlich effizienter verbrannt werden als die Bagasse selbst oder von den Bauern und Bäuerinnen als Dünger eingesetzt werden. Nach einer weiteren physikalisch-chemischen Behandlung ist auch die Verwendung als Adsorber in der Wasseraufbereitung möglich.
Durch die Veredelung mittels Pyrolyse entsteht somit ein Produkt, das als Pellet oder Brikett leicht zu transportieren ist und für das es einen internationalen Markt gibt. Dabei ist die Technologie für brasilianische Zuckerrohrfabriken kein Neuland, sondern wird teilweise bereits zur Herstellung von Pyrolyseöl eingesetzt. „Durch unsere Forschungen ist es uns gelungen, einen Prozess von der Ernte bis zum fertigen Produkt aufzubauen. Dessen Wirtschaftlichkeit wurde in einer Masterarbeit an unserer Hochschule bestätigt“, so Schlüter.
Corona-Pandemie erschwerte Forschung
Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Verschlechterung der Importmöglichkeiten nach Brasilien konnten nicht alle Teilaspekte des Projekts unter Realbedingungen erprobt werden. So wurde die Pyrolyse mit aus Brasilien eingeführter Bagasse in Deutschland getestet, während die neue Erntetechnologie nur in einem alten Versuchsstand zum Einsatz kam. Die Einbindung der Pyrolyse in bestehende Betriebe in Brasilien war nicht möglich.
Über das Projekt
Das Forschungsprojekt „TRABBIO. Transformation brasilianischer Biorestmassen zu umschlagsfähigen Stoff- und Energieträgern“ wurde von April 2019 bis März 2023 unter Leitung der REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH durchgeführt. Neben der TH Köln waren auf deutscher Seite das Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum CUTEC der Technischen Universität Clausthal, die TÜV Rheinland Energy GmbH und die Schumacher Group beteiligt. Brasilianische Partner waren unter anderem die Ländliche Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRRJ), die Zuckerrohrkooperative COAGRO, die nationale Agrarforschungseinrichtung für Böden Embrapa solos und das Staatministerium für Landwirtschaft des Bundesstaates Rio de Janeiro. Gefördert wurde das Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 3,14 Millionen Euro über das Programm „CLIENT II – Internationale Partnerschaften für Nachhaltige Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
Originalmeldung
https://www.th-koeln.de/hochschule/neue-geschaeftsmodelle-fuer-brasilianische-agrarbetriebe_111513.php
Ansprechperson:
TH Köln
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