Forschung im Wasserbaulabor der FH Aachen
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Aachen, den 03. März 2022. Die Ruhe vor dem Sturm ist trügerisch. Prof. Dr. Daniel Bung schaltet die Pumpe ein, es rauscht ein paar Sekunden lang, und dann bricht der Sturm los: 100 Liter Wasser pro Sekunde schießen über die Wassertreppe im Wasserbaulabor des Fachbereichs Bauingenieurwesen, und mit jeder Stufe wird das Spektakel beeindruckender. Es spritzt und schäumt, donnert und gurgelt. Am Fuß der Treppe wird das Wasser in einem 80.000 Liter fassenden Becken gesammelt, bevor die Pumpe es wieder nach oben befördert.
So spektakulär der Versuchsaufbau im Labor auch ist, er dient einem wichtigen Forschungszweck: Prof. Bung und sein Team vom Lehr- und Forschungsgebiet Wasserbau wollen herausfinden, wie das Strömungs- und Verwirbelungsverhalten von Wasser funktioniert. Zwei Beispiele veranschaulichen, welche Bedeutung diese Forschung für unseren Alltag hat, und beide haben mit Talsperren zu tun, die es in der Aachener Region ja zahlreich gibt.
Mehr Sauerstoff für Flüsse
“Das Wasser in Stauseen ist oftmals ziemlich sauerstoffarm”, erklärt der Wissenschaftler. Wenn dieses Wasser aus den Talsperren in die Flüsse geleitet würde, hätte das fatale Folgen für Flora und Fauna – zahlreiche Lebewesen könnten wegen Sauerstoffmangels verenden. Also muss Sauerstoff zugefügt werden, und das funktioniert beispielsweise mit einer Treppe, wie sie in kleinerem Maßstab im FH-Labor steht. Wer das Strömungsverhalten des Wassers beobachtet, sieht, dass mit jeder Treppenstufe die Verwirbelungen zunehmen. Luftbläschen kommen ins Wasser, der Sauerstoff wird gelöst. “Wir erforschen, wie dieser Sauerstoffeintrag optimiert werden kann”, erklärt er. Dies hänge von der Zahl und Beschaffenheit der Treppenstufen ab, aber auch von der Menge und der Fließgeschwindigkeit des Wassers. Auf der Grundlage der Ergebnisse lasse sich eine optimale Gewässergüte erzielen, was nicht zuletzt durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie vorgeschrieben wird.
Das zweite Beispiel bezieht sich auf ein Szenario, das bis zum Sommer 2021 in unserer Region nur schwer vorstellbar schien: Was passiert, wenn bei unwetterartigem Regen die Talsperren volllaufen? In diesem Fall schießen große Mengen Wasser in hoher Geschwindigkeit zu Tal, und eine kluge bauliche Planung und Auslegung der Wasserbauwerke – etwa der Wasserablässe an den Talsperren – kann dazu beitragen, Schäden zu minimieren. “Je stärker verwirbelt das Wasser ist, desto mehr Energie geht verloren”, sagt Prof. Bung.
Von der DFG gefördert
Bei seiner Forschungsarbeit kann der FH-Bauingenieur bald auf modernste Technik zurückgreifen: “Mit vier Hochgeschwindigkeitskameras können wir dreidimensional erfassen, wie Strömungsverhältnisse im Wasser sich verändern”, sagt er. Dabei werden Partikel in den Wasserstrom gegeben, die mit LED-Strahler angeleuchtet und so für die Kameras sichtbar (und verfolgbar) werden. Die Anschaffung des Forschungsgroßgeräts (4D-PTV-Messsystem) wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit etwa 240.000 Euro gefördert. “Diese innovative Messtechnik wird im binnenwasserbaulichen Versuchswesen bislang noch nicht eingesetzt, so dass das Wasserbaulabor der FH Aachen ein Alleinstellungsmerkmal erhält”, betont Prof. Bung. Im Sommer wird das neue Gerät einsatzbereit sein, dann fällt auch der offizielle Startschuss für die weitere DFG-Projektförderung zum Sauerstoffaustausch (Fördersumme: ca. 320.000 Euro).
Bereits jetzt setzen die Forschenden eine Hochgeschwindigkeitskamera ein, die die Bildung der Luftbläschen an den Treppenstufen erfasst. “Die Kamera macht 1000 Fotos in der Sekunde”, erklärt der Professor. Von großem Wert für die Forschungsarbeit im Wasserbaulabor ist auch die Kooperation mit der Universität Lüttich. Im dortigen Labor befindet sich eine Wasserbautreppe mit höheren Stufen – so lassen sich Versuche mit anderen Rahmenbedingungen fahren, die wiederum weitergehende Rückschlüsse erlauben.
Eine ingenieurtechnische Herausforderung aber wird bleiben: “Eigentlich kann man die Vorgänge in einer Strömung mit mathematischen Methoden nicht erfassen”, sagt Prof. Bung, “wir nähern uns mit empirischer Arbeit an die Realität an.” Die Arbeit im Labor sei ein wichtiger Baustein bei der Erforschung der Phänomene, die Herausforderung sei es aber, die theoretischen Ergebnisse auf die Phänomene der Natur zu übertragen.
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